Skip to main content
Skip to footer

von Norbert Neumann
veröffentlicht am 12.05.2016

Es war ein spannender, vielseitiger und gut besuchter Kongress, sowohl mit wissenschaftlichen Vorträgen als auch praktischen Hilfestellungen. Für jeden war etwas dabei, für die Hygienefachkraft ebenso wie für den Krankenhaus-Hygieniker oder die Industrievertreter. Geprägt wurde der Kongress in erster Linie durch seine Topthemen wie nosokomiale Infektionen und deren Erreger, Ausbruchsmanagement, damit verbundene Regularien und deren Umsetzung, Desinfektion und Sterilisation sowie Antibiotic-Stewardship.

Vorherrschend auf der Industriemesse waren die Hersteller von Desinfektionsmitteln und intelligenten Desinfektionsmittelspendern, Hersteller von Screening- und Testverfahren sowie natürlich auch Hersteller von allerlei Medizingerät.

Gleich zur Eröffnung wird von der langen und aufregenden Geschichte der Hygiene mit ihren historischen und aktuellen Helden berichtet und trotz der langen Tradition scheinen wir an vielen Stellen noch am Anfang zu stehen. 40 Jahre ist es her, dass im Bundesgesundheitsblatt die Ursprungsrichtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprophylaxe veröffentlicht wurde. Die daraus entstandene KRINKO hat bis heute eine Schlüsselfunktion für die nationale Strategie der Bekämpfung nosokomialer Infektionen.

Null Toleranz für Infektionen – Das Motto der zentralen Eröffnungssession

Dr. Dr. Alexander Steiner vom IQTIG (www.iqtig.org) erläutert die Indikatoren, die zur Etablierung eines transparenten Index für das Prozessmanagement in der Krankenhaushygiene eingeführt werden sollen. Er kündigt einen Vergleich unterschiedlicher Qualitätsaspekte im Hinblick auf die einrichtungsspezifische Hygiene an, sowie die Abstimmung unterschiedlicher Verfahren mit gleichen thematischen Inhalten. Ab 2017 wird dann ein neuer Hygiene-Qualitätsbericht mit 11 Indikatoren nach SGB V in eine 5-jährige Erprobungsphase starten.

Sicherlich erst am Anfang seines Einflusses in der Diskussion steht das APS – Das Aktionsbündnis für Patientensicherheit. Frau François-Kettner weist sehr eindrücklich auf den Zusammenhang zwischen Personalausstattung und Infektionsraten hin. Die Infektions-Präventions-Initiative des APS konnte 2015 in einer Meta-Analyse von 22 Studien eine Evidenz hierfür nachweisen und damit die Ergebnisse der KISS-Studie (seit 2007) auch für Deutschland bestätigen. Sie beklagt die offensichtlichen Missstände wie z.B. die Vernachlässigung von notwendigen Investitionen durch die Bundesländer, die unzureichenden Budgetanpassungen und die immer noch vorherrschende sektorale Betrachtung. Ferner mahnt sie die falschen Anreize im Finanzierungssystem an. Gesundheitsversorgung sei eine hoheitliche Aufgabe und würde durch die föderalen Strukturen behindert. Auch eine stärkere Fokussierung auf die Qualität der Leistungserbringung, um nachhaltig ökonomisch erfolgreich zu agieren, sollte erfolgen.

Weniger Infektionen durch bessere Kommunikation?

Einen erfrischend neuen und spannenden Ansatz bringt Prof. Reinhard Hoffmann von den BG-Kliniken aus Frankfurt mit. In Zusammenarbeit mit der DGOU und Lufthansa Flight Training wird ein Programm entwickelt, dass das Augenmerk stärker auf die interpersonellen Fähigkeiten und die Etablierung einer neuen Kommunikationskultur in den Kliniken legen soll. Trotz vorhandener Richt- und Leitlinien ist die Compliance z.B. beim Einhalten der präoperativen Checklisten v.a. beim ärztlichen Personal häufig unzureichend.

Ziel der neuen Methode ist die Konzentration auf Human Factors zur Steigerung der Patientensicherheit analog der etablierten Trainings der Luftfahrt. Es ist die notwendige Konsequenz aus den Analysen von Fehlern und Fehleranalysen. Immerhin 70% der untersuchten Vorfälle sind auf menschliche Faktoren zurückzuführen und unter Stress machen Menschen alle 30 Sekunden einen Fehler – kaum zu glauben und doch nachgewiesen. Ein Vortrag, der eigentlich für alle Ärzte und Ärztinnen verpflichtend sein sollte.

Evidenzbasierte Zahlen? Fehlanzeige

Der Kongress diskutiert intensiv die Möglichkeiten aus Daten Rückschlüsse zu ziehen. Hier kommt es tatsächlich zu einer der selteneren lebhaften Diskussionen. Die Datenlage scheint hinsichtlich Infektionsraten und Todesfällen nicht eindeutig und insgesamt auch nicht sehr verlässlich zu sein.

Das RKI spricht über die nationale Prävalenzstudie und nennt 231.000 Infektionen im Jahr mit einem Anteil von 29.000 MRE, während der Vizepräsident der DGKH in der Diskussion fast wütend widerspricht und auf die aktuell veröffentlichten Zahlen* mit 67.849 Todesfällen aufgrund oder mit Septikämie verweist. Sicherlich ein seltenes Ereignis während eines Kongressauftaktes ist die öffentliche Verabredung zur intensiveren Zusammenarbeit, um in Zukunft Daten und Zahlen besser abzustimmen und damit Irritationen in der Öffentlichkeit zu vermeiden.

Bessere Daten machen den Zusammenhang zwischen Qualität und Ökonomie auf besondere Art und Weise deutlich. Der Risikoberater Klaus von Laden berichtet anschaulich, wie sich mithilfe von Antibiotic-Stewardship und der Einhaltung einiger weniger Maßnahmen und Regeln die Verweildauer bei Patienten mit Infektionen verkürzen lassen. Damit lässt sich die Gewinnzone zwar nicht erreichen, allerdings ist eine deutliche Reduktion des Verlustes realisierbar. In einem von ihm beratenen Krankenhaus konnten bei 3.144 Infektionsfällen, von denen 396 wahrscheinlich nosokomialen Ursprungs waren, innerhalb eines Jahres Einsparungen in Höhe von 300.000 € erzielt werden.

Antibiotic-Stewardship ist ein tagesaktuelles Thema und verpflichtend festgeschrieben, dennoch zeigt eine Reihe von Berichten, dass hier noch viel zu tun ist, bis in allen Häusern nicht nur das Konzept, sondern auch die Struktur und die Umsetzung angekommen sind.

Vor allem die Ressourcen-Situation hat sich in den vergangenen 3 Jahren nicht wesentlich gebessert, ganz besonders trifft dies die kleineren Häuser. Sicherlich ist einer der Gründe, dass die qualifizierte Ausbildung zur Hygienefachkraft (HFK) erst in 10 von 16 Bundesländern anerkannt ist. Hier sind eine interdisziplinäre bzw. interprofessionelle Öffnung und die Standardisierung einer modularen in allen Ländern gleichermaßen anerkannten Ausbildung zur HFK zu fordern.

MetaHMS debütiert erfolgreich

Bei den vielen offenen Punkten und akuten Herausforderungen ist es erstaunlich, dass erst so wenige Krankenhäuser über ein effizientes IT-gestütztes Hygienemanagementsystem verfügen und sich auf Auswertungen mit Excel, eigenen Zwischenlösungen oder unflexiblen und nutzerunfreundlichen Statistikprogrammen ohne Integration in die Daten- und Systemlandschaft des Krankenhauses verlassen.

Und so fällt es besonders auf, dass auf der begleitenden Industriemesse kaum IT-Hersteller vertreten sind. Als wäre die Zeit stehen geblieben, ist das Angebot in erster Linie analog. Wenige Hersteller bieten die Überwachung der Desinfektionsmittelspender an, die dann die Ermittlung des Verbrauchs und die Unterstützung des Reinigungs- und Auffüllvorgangs quasi mitliefern. Wenn ein Sensor den Füllstand einer Flasche feststellen kann, ist es ein Leichtes, diesen zu versenden und der betreuenden Kraft die Kontrolle jedes einzelnen Spenders zu erleichtern.

Einzigartig war und ist die Cerner-Lösung MetaHMS, die auf der einen Seite KIS-unabhängig einsetzbar und auf der anderen Seite mit ihrer tiefen Integration in die Cerner KIS-Systeme Arbeitsabläufe effizient unterstützen kann. Die leichte Bedienbarkeit macht sie darüber hinaus attraktiv für den alltäglichen Einsatz. Dies zeigte sich auch an dem regen Interesse an der Präsentation und dem Gespräch. Im Gegenzug konnte das Cerner-Team in der Diskussion auch eine Reihe von guten Ideen mitnehmen, die sicherlich in einem der nächsten Releases ihren Platz finden werden. Im Vordergrund des Interesses standen neben der Unterstützung der Antibiotic-Stewardship, die Ausbruchserkennung und das Ausbruchsmanagement, das mit MetaHMS wirksam unterstützt werden kann.

*DÄ vom 11.3.2016