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von Norbert Neumann
veröffentlicht am 09.01.2018

Ein einheitliches KIS in allen Kliniken

Digitalisierung kann manchmal ein Abenteuer sein. In unserer Serie „Auf dem Weg zum digitalen Krankenhaus“ beschreiben wir diesmal den Weg der Kliniken Region Hannover (KRH) ins digitale Zeitalter. Im ersten Teil lesen Sie, wie trotz finanziellen Defizits und eines herben Rückschlags kurz vor Eröffnung eines Neubaus am KRH die Weichen in Richtung Digitalisierung gestellt wurden.

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Kein Schiffbruch in Niedersachsen

„Wenn die Überzeugung fehlt, erleiden Sie mit jedem IT-Projekt Schiffbruch.“ Dr. Volker Hüsken muss es wissen. Seit über 30 Jahren arbeitet der Informatiker in seinem Beruf, unter anderem als IT-Leiter der Universitätsklinik Köln, aber auch in Unternehmen außerhalb des Gesundheitswesens. Heute ist er als Zentralbereichsleiter Informationstechnologie am Klinikum der Region Hannover GmbH (KRH) tätig, einem Verbund mit zehn Standorten, 3.200 Betten und 8.000 Mitarbeitern, die jährlich etwa 135.000 stationäre und 180.000 ambulante Patienten in Stadt und Umland von Hannover versorgen.

Erschwerende Faktoren: Defizit und ‚Land unter‘ im Nordklinikum

Was schon so eine komplexe Aufgabe darstellt, wird noch dadurch erschwert, dass das KRH seit seiner Gründung im Jahr 2005 nahezu durchgehend teilweise erheblich defizitäre Zahlen vorzuweisen hatte. „2013 hatten wir ein Defizit von rund 20 Millionen Euro“, erläutert der IT-Fachmann. „Daraufhin wurde die Medizinstrategie 2020 entwickelt. Nur drei Jahre später erwirtschaftete das KRH ein Plus von 2,6 Millionen Euro.“ Was bedeutet: Die Entwicklung der IT- Infrastruktur und die fortschreitende Digitalisierung im Verbund mussten in einem sich finanziell konsolidierenden Unternehmen stattfinden.

Und das trotz eines Rückschlags für das Klinikum: Im Jahr 2014 wurde der Neubau des Klinikums Nordstadt, der am dortigen Standort das historische, noch in Pavillonbauweise angelegte Krankenhaus ersetzen sollte, durch einen Sabotageakt schwer beschädigt. „Irgendjemand hat in einem oberen Stockwerk eine große Leitung aufgedreht und so kurz vor der Eröffnung über Stunden Wasser in das Gebäude fließen lassen. Sie können sich vorstellen, was das in einem fast bezugsfertigen Krankenhaus für Schäden anrichtet“, erinnert sich Volker Hüsken. Neben dem eigentlichen Schaden am Gebäude entstand zusätzlicher Aufwand, um den Betrieb im alten Krankenhaus weiterlaufen zu lassen. Außerdem zogen sich Schadensaufnahme und -regulierung hin, sodass auch heute noch das neue Klinikgebäude nicht bezugsfertig ist. „Das alles hat natürlich Planungen über den Haufen geworfen, Zeit, Geld und Ressourcen gekostet“, ärgert sich der IT- Bereichsleiter. Aber trotz aller Widrigkeiten kann sich die Bilanz der letzten Jahre auch im IT-Bereich sehen lassen.

Ein erster Schritt: ein einheitliches KIS in allen Kliniken

Im Rahmen der Gründung des KRH wurden die drei städtischen Kliniken und die Kreiskrankenhäuser der Region unter einer Leitung zusammengeschlossen. Ziel war es, eine flächendeckende Versorgung in Stadt und Region sicherzustellen und eine hohe Behandlungsqualität in finanzierbarem Rahmen anbieten zu können. Auf die IT kam damit die erste große Herausforderung zu: „In den städtischen Kliniken war bereits seit 1997 i.s.h.med® flächendeckend im Einsatz. In den Kreiskrankenhäusern hingegen gab es unterschiedliche Systeme und jedes Krankenhaus hatte seine eigene kleine IT-Abteilung“, fasst Volker Hüsken zusammen. Die erste Aufgabe war also eine Vereinheitlichung der IT-Infrastruktur und eine Reorganisation des IT-Bereichs. Man entschied sich für ein pragmatisches, aber radikales Vorgehen: Alle Kreiskrankenhäuser wurden innerhalb kürzester Zeit auf i.s.h.med umgestellt und ihre alten KIS-Systeme abgeschaltet. Für dieses Vorgehen gab es mehrere gute Gründe, wie Dr. Hüsken erklärt: „Mit den drei städtischen Kliniken hatten die drei größten Häuser   mit i.s.h.med bereits ein gut ausgebautes, einheitliches KIS. Hinzu kam, dass die IT-Infrastruktur in diesen Häusern so angelegt war, dass das KIS in zwei redundanten Rechenzentren gehostet wurde.  Dadurch war es möglich, es mit wenig Aufwand innerhalb kurzer Zeit auch auf die anderen Häuser auszurollen – „Wir haben schlicht alle Kreiskrankenhäuser auf unsere Rechenzentren aufgeschaltet“, fasst Volker Hüsken zusammen. „Damit hatten wir innerhalb kürzester Zeit ein nahezu identisches KIS in allen Häusern.“ Nahezu, weil kleinere individuelle Anpassungen erforderlich waren, die allerdings nicht ins Gewicht fielen. Auf diese Weise war es möglich, dass schon im Jahresübergang 2007/2008 alle zehn Häuser des KRH einheitlich i.s.h.med nutzten. Gleichzeitig wurden auf diese Weise auch die unzähligen Subsysteme in den einzelnen Häusern auf einen Schlag massiv reduziert.

„Das ging natürlich nicht ohne Überzeugungsarbeit“, gibt der IT-Bereichsleiter zu. „Das betraf sowohl die Anwender, die sich relativ schnell auf ein neues IT- System mit neuen Dokumenten und neuen Abläufen einstellen mussten, aber vor allem auch für die Mitarbeiter der jeweiligen IT-Abteilungen.“ Denn während sie vor der Umstellung für eine komplette IT-Infrastruktur verantwortlich waren, mussten sie sich jetzt auf Teilbereiche spezialisieren. Kein leichter Schritt.

„Das war ein scharfer Schnitt, der sich aber in diesem Fall leider nicht vermeiden ließ. Umso wichtiger ist es in solchen Fällen, dass man die Menschen auch davon überzeugt, dass es richtig und wichtig ist, was getan wird; sie nicht nur umzuorganisieren, sondern auch menschlich mitzunehmen.“

Dr. Volker Hüsken
Leitung Informationstechnologie am Klinikum Region Hannover GmbH (KRH)

Evolution statt Big Bang

Aktuell betreuen 45 IT-Mitarbeiter ca. 5.500 Anwender und rund 4.000 Endgeräte. „Herzstück sind unsere beiden Rechenzentren, in denen wir die Anwendungen für unsere Kliniken hosten“, erläutert Volker Hüsken. „Unsere Mitarbeiter verteilen sich auf die verschiedenen Standorte und betreuen die Anwender vor Ort, sind aber auch für spezielle Bereiche unserer IT-Infrastruktur zuständig. Dazu gehört auch die Programmierung von Anwendungen auf SAP® -Basis. Eines der nächsten Projekte wird eine App für die mobile Anwendung auf Basis von Fiori sein.“

Derartige Projekte waren lange Zeit nur eingeschränkt möglich. Beim Ausbau der Infrastruktur und der Digitalisierung setzte das IT-Personal gezwungenermaßen lange Jahre eher auf Evolution als auf große Schritte. „Das Augenmerk im KRH lag bisher vorwiegend auf der notwendigen wirtschaftlichen Konsolidierung im Rahmen der Medizinstrategie 2020“, erklärt Dr. Hüsken. „Dabei ging es im Wesentlichen darum, die Organisationsstrukturen und das medizinische Angebot des KRH so auszurichten, dass wir finanziell wieder dauerhaft auf festen Füßen stehen und uns gleichzeitig qualitativ weiterentwickeln. Für uns bedeutete das, dass wir nur in kleinen Schritten vorgehen konnten: Da der Schwerpunkt auf der Strukturierung der medizinischen Versorgung lag, hätte es keinen Sinn gemacht, in diesen fluiden Prozess hineinzuarbeiten. Der Fokus lag schlicht auf etwas anderem als der IT. Die Anwender hätten kein Verständnis dafür aufgebracht, in so einer Umbruchphase auch noch aufwendige IT-Projekte zu stemmen.“

Konsequente Verschlankung der IT

Zumal es auch so genug zu tun gab. Eine der Hauptaufgaben war es, die IT zu verschlanken. „Durch die radikale Umstellung aller Häuser auf ein einheitliches i.s.h.med-KIS konnten wir die Anzahl der Subsysteme zwar mit einem Schlag massiv einschränken, aber eben nicht alle ersetzen“, erklärt Volker Hüsken. „Unser Ziel war und ist es, eine IT-Infrastruktur zu haben, die auf möglichst wenig Säulen steht: i.s.h.med als klinisches System, SAP für Administration und Logistik, ein Dokumentenmanagementsystem und darüber hinaus nur Subsysteme, die eine strategische Bedeutung haben und sich nicht anders umsetzen lassen.“ Entsprechend legte die IT-Abteilung den Schwerpunkt zunächst auch weniger auf den Ausbau als vielmehr auf die Konsolidierung der Infrastruktur. Mit Erfolg, wie IT-Bereichsleiter Hüsken nicht ohne Stolz bemerkt: „Ich weiß zurzeit kein einziges Subsystem, das jetzt noch sinnvollerweise abgeschaltet werden könnte. Alle Patienteninformationen, bzw. alles, was Patienteninformationen enthält, wie z. B. MDK- Anfragen, laufen über i.s.h.med. Wir haben nur sehr wenige Subsysteme, die nicht ersetzt werden können, weil sie sehr speziell sind. Und jede neue Anforderung wird darauf geprüft, ob sie nicht irgendwie in i.s.h.med umsetzbar ist – was meistens der Fall ist. Im Zweifelsfall programmieren wir selber eine Lösung, was in i.s.h.med – im Gegensatz zu manchen anderen KIS-Systemen – einfach möglich ist.“

Die schon im Rahmen der KRH-Gründung praktizierte Umstrukturierung der Organisationsstrukturen spielte dem IT-Team dabei in die Hände: „Die Medizinstrategie 2020 war ja der zweite Schritt, sozusagen der Feinschliff. Im Rahmen des Zusammenschlusses der Kliniken zum KRH wurden natürlich auch Bereiche zusammengelegt und zentralisiert, um sie wirtschaftlicher zu gestalten. Für uns war das insofern günstig, als es natürlich leichter ist, eine große, zentrale Abteilung mit einer kompatiblen Lösung auszustatten, als viele kleine Bereiche, die im Detail unterschiedliche Anforderungen haben.“ Auf diese Weise konnten Funktionsanforderungen im KIS abgebildet und weitere Subsysteme abgeschaltet werden. Allerdings war von einem weiteren Ausbau bzw. einer umfassenden Digitalisierung in den laufenden Umstrukturierungen erst einmal kaum die Rede. Bis jetzt.


Fotos: © Klinikum Region Hannover (KRH)