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von Norbert Neumann
veröffentlicht am 11.11.2016

Welches Schweinderl hätten´s denn gern? Im Stück oder in Scheiben? Gehen wir heute ins Kino oder ins Restaurant? Entscheidungen begleiten unser Leben. Mit mehr oder weniger großer Tragweite. Kritisch wird es vor allem, wenn man Entscheidungen treffen muss, die das Leben anderer Menschen beeinflussen oder sie gar gefährden können: Welches Antibiotikum verabreiche ich meinem Patienten, damit er seine schwere Infektion ohne Folgen überlebt? Ist der Patient komplett vorbereitet und kann in den OP-Saal? Ärzte müssen solche Fragen jeden Tag beantworten. Und sie leben ständig unter dem Druck, die richtige Entscheidung zu treffen.

Sicher: Im Laufe der Jahre bekommt man Erfahrung und Routine. Aber was macht der noch unerfahrene Assistenzarzt? Und wie hält man als erfahrener Mediziner Schritt mit dem sich ständig ändernden Wissensstand? Wie gibt man dem Patienten ein Stück mehr Sicherheit, der nachts um drei in der Notaufnahme dringend behandelt werden muss?

Eine Möglichkeit ist ein Computerized Decision Support System (CDSS). Ein IT-System fasst verfügbare Patientendaten zusammen, gleicht sie mit vorgegebenen Standards ab und gibt dem behandelnden Arzt eine Handlungsempfehlung. Was letztlich wirklich getan wird, bleibt dem Mediziner überlassen: Er hat nach wie vor die Entscheidungshoheit, bekommt aber wertvolle Hinweise. In etwa kann man ein CDSS mit einem Navigationsgerät im Auto vergleichen: Es sucht anhand von Daten über Start- und Zielpunkt, Staus und anderer Verkehrsstörungen eine Route aus und schlägt sie vor. Der Fahrer entscheidet aber, welcher Weg tatsächlich gefahren wird.

Das CDSS funktioniert ähnlich, nur wesentlich komplexer: Individuelle Patientendaten wie Alter, Geschlecht, Gewicht, Allergien, Nierenfunktion etc. fließen beispielsweise in die Entscheidung darüber ein, welches Medikament in welcher Dosierung verabreicht werden sollte. Gerade bei der immer wieder wechselnden Resistenzlage von Antibiotika kann ein solches System dabei unterstützen, die Gratwanderung zwischen hoher Wirksamkeit, geringer Patientenbelastung, Wirtschaftlichkeit und dem Vorbeugen neuer Resistenzbildungen zu schaffen.

Aber auch in vielen anderen Bereichen, zum Beispiel bei komplexen diagnostischen Prozeduren oder der Vorbereitung von Eingriffen, an denen verschiedene Fachgruppen beteiligt sind, haben CDSS ihren Platz. Sie helfen dabei, leitliniengerechte Prozesse zu etablieren und somit eine hohe Behandlungsqualität sicherzustellen, ohne den Arzt in seiner Entscheidungs- und Therapiefreiheit einzuschränken.

Für den Patienten bedeutet das mehr Sicherheit und effizientere Diagnostik und Therapie. Und so kann er sich dann nach der Entlassung aus dem Krankenhaus bald wieder vor die Entscheidung gestellt sehen: Gehe ich ins Kino oder ins Restaurant?